Fechten mit dem Langen Messer (I)Mo, 02.04.2012
Eine Einführung von Jens Peter Kleinau
Das Lange Messer wird bei dem Verein Zornhau als Kampfkunst gelehrt. Dies entspricht der Intention des Vereins, der sich nicht als Sportclub oder Schaukampfgruppe versteht. Es geht somit nicht um die Fähigkeit, die alten Fechtstücke in Schaukämpfen oder um Punkte bei Turnieren. Die praktische Anwendbarkeit historisch belegter Fechtkunst steht im Vordergrund. Und diese wird mit entsprechenden Simulatoren und guter Schutzausrüstung auf die Probe gestellt.
Für den Anfänger ist das Lange Messer eine hervorragende Waffe, um sich mit den Grundsätzen der einhändigen geführten Waffen vertraut zu machen. Wer mit dem Langen Messer fechten lernt, der kann mit jeder beliebigen einhändigen Waffe oder einem einfachen Stock sich wunderbar durchsetzen.
Kategorisierung des Langen Messers
Das Lange Messer ist eine einschneidige Hieb- und Stichwaffe. Sie charakterisiert sich durch einen Hakenförmigen Knauf, einen langen genieteten Griff, eine Kreuzstange, einem mit durch die Klinge getriebenen Nagel befestigten Handschutz und eine lange eher gerade Klinge.
Der Knauf kann als Abschlusskappe oder als schwerer Knopf ausgearbeitete sein. Kriegswaffen waren eher mit schweren Knäufen versehen, während Alltags- und Jagdwaffen eine Kappe bevorzugten. Der Griff ist ausreichend lang, dass zwei Hände daran Platz haben. Die Kreuzstange ist fast immer gerade und schlicht gehalten. Der Schutz der Hand ist sehr unterschiedlich. Vom einfachen Nagel, der lediglich das Abgleiten der gegnerischen Klinge verhindern soll, bis hin zur reichlich verzierten Muschel ist alles zu finden. In Gegensatz zu den Schwertern drückt beim Messer nicht der Knauf das Griffholz auf die Kreuzstange und stabilisiert den Griff und den Handschutz. Der Griff beim Langen Messer ist genietet und daher sind auch Handschutz und Kreuzstange genietet. Dies geschieht durch einen Nagel, der durch die Klinge getrieben wird. Dieser Nagel wird dann zum Handschutz ausgearbeitet. Daher wird dieser Schutz historisch auch „Nagel“ genannt.
Das Lange Messer ist verwandt mit dem Falchion und der Bauernwehr. Der Unterschied zum Falchion ist leicht durch den Griff und den Nagel zu erkennen. Die Methode des Montierens des Griffs beim Falchion entspricht dem des Schwertes, daher findet man nur in wenigen Ausnahmen genietete Griffe und durchgenietete Kreuzstangen beim Falchion. Die Bauernwehr unterscheidet sich nur durch den kürzeren Griff vom Langen Messer. Auch ist sie meist etwas kleiner. Das Lange Messer und die Bauernwehr sind eine Kriegs- und Duellwaffe. Gleichzeitig besitzen die schwereren und kürzeren Ausführungen ausreichend Eigenschaften als Werkzeug.
Ebenfalls verwandt mit dem Langen Messer ist das Lange Jagdmesser (auch Jagdschwert genannt), das sich nur durch eine etwas schlankere Klinge unterscheidet. Nicht verwandt sind Macheten. Zwar sind die Espada Ancha der Spanischen Koloniarisierung dem Lanen Messer und dem Säbel sehr ähnlich, doch die späteren Haumesser haben nur wenig damit gemein und der beim Langen Messer favorisierte Stich spielt in den entsprechenden Lehren zu den Haumessern kaum eine Rolle.
Das Fechten mit dem Langen Messer
Der wesentliche Unterschied zum Fechten mit dem Langen Schwert oder mit dem Buckler und Schwert ist die distanzabhängige Einhändigkeit. Daher ergibt sich eine andere Körperhaltung und auch eine andere Fußarbeit. Während man beim Langen Schwert oder beim Buckler & Schwert die unteren Körperregionen bei korrekter Ausführung relativ risikolos angreifen kann, schützt nichts die obere Körperhälfte falls man mit dem Langen Messer das Knie des Gegners angreift. Hier beginnt schon früh eine Körperbewegung, die dem späteren Säbel des 17. Jahrhunderts ähnelt. Doch sie unterscheidet sich stark von der modernen Fechthaltung und auch von der Fechthaltung des italienischen Rapiers oder des französischen Degens.
Bei reinen Stichwaffen kann man es sich leisten, einen Stich in die Hand zu bekommen. Dies ist weder eine tödliche noch eine schwere Verletzung, sie kann sogar billigend in Kauf genommen werden, wenn sich daraus ein Vorteil ergibt. Bei einer schweren Hiebwaffe mit breiter Klinge ist weder der Stich noch der Hieb etwas, das man billigend in Kauf nehmen kann. Daher wird die linke, waffenfreie Hand auf den Rücken gelegt. Erst wenn die Klingenpositionen oder die Nähe zum Gegner es erlauben, schnellt die linke Hand nach vorne und kämpft mit.
Die Auslegung des Langen Messers
Für die Rekonstruktion und die Lehre der Kampfkunst interessiert uns besonders die Verwendung des Langen Messers als Kriegs- und Duellwaffe. Hier spielt es nur eine geringe Rolle, ob eine Bauernwehr verwendet wird oder ein Langes Messer, sofern die Klinge einigermaßen lang und ordentlich spitz ist.
Hans Lecküchner, war der Verfasser der umfangreichsten Abhandlungen über das Fechten mit dem Langen Messer im 15. Jahrhundert. Für die Interpretation und Lehre bei Zornhau wird die Handschrift BSB Cgm 582 als Leitlinie verwendet, da sie unserer Meinung nach die Endfassung der Fechtschrift darstellt. Ergänzende Quellen dienen zum Abgleich in der Interpretation unter anderem Cod. Pal. germ. 430 als eine Frühfassung von Lecküchner selber, Handschrift M I 29 (Fechtbuch) als eine Abschrift mit Anmerkungen, Egenoplhs „Der Altenn Fechter anfaengliche Kunst“ als zusammengefasste Interpretation und weitere Quellen wie die Fechtbücher Talhoffers, Paulus Kals oder der Codex Wallerstein.
Hans Lecküchner baut seine Lehre anhand einer inzwischen verlorenen Quelle auf, die dem Langen Schwert gewidment war. Diese Quelle wurde oft kopiert und begründete eine Linie von Fechtbüchern. Ihre älteste Kopie ist das Manuscript 44a8 (Peter von Danzig).
Warum Hans Lecküchner dies so strukturiert ist nicht bekannt. Seine Lehre weicht inhaltlich von der Struktur ab und auch die Verwendung der Waffe passt nicht zu dem Aufbau des Langen Schwertes. Zusätzlich fügt Lecküchner noch Schaustücke ein, die so gar nicht in die Kampfkunst passen wollen. Damit nicht genug, fließen auch schon die ersten Einflüsse des italienischen Rapiers in das Buch ein (welches allerdings von den Zeitgenossen als „Spanisches Schwert“ bezeichnet wurde, da die Verbindung mit Spanien zur Zeiten der Habsburger recht eng war). Es lassen sich daher folgende Einflüsse in der Lehre Hans Lecküchners wiederfinden:
- Die Lehre Johannes Lichtenauers analog der Struktur des 44a8
- Eine unbekannte Kriegslehre eines einhändigen Schwertes oder Messer
- Das Schaufechten der Fechtschulen der Zünfte und Universitäten
- Das italienische Seitschwert/Rapier
Diese Einflüsse erschweren die Rekonstruktion, da sie widersprüchlich sind. Zwar lassen sich manche Stücke leicht identifizieren und zuordnen, doch die meisten werden nicht ohne Fragezeichen bleiben.
Leger und Huten im Langen Messer
Hauptleger im Langen Messer gibt es nur vier, das sind Luginsland, Bastei, Eber und Stier. Eine gewisse Begriffsverwirrung existiert zu Legern und Huten in allen Quellen. Um sich der vier Huten und dem Langort bewusst zu werden lege man die Waffen beiseite und bewege beide Hände gleichzeitig.
- Führt man beide Hände in Stirnhöhe und hält sie mit leicht ausgestreckten Armen vor den Körper, so ahmt man die Hörner eines Stiers oder eines Ochsen (Ausdruck beim Langen Schwert) nach. Lecküchner verwendet für diese Huten, den Namen Stier.
- Führt man beide Hände mit leicht angewinkelten Armen auf Hüfthöhe vor den Körper und lässt die Handflächen nach unten zeigen, so ahmt man einen Bauer nach, der einen Pflug (Ausdruck beim Langen Schwert) hält. Lecküchner verwendet für diese Huten den Namen: Eber und Schrankhut, je nach Ausrichtung des Ortes.
- Führt man beide Hände über dem Kopf wie in einem Kinderspiel zusammen, so erhält man ein Dach (Ausdruck beim Langen Schwert, auch Tag genannt). Lecküchner verwendet diese Hut einarmig und daher den Begriff: Luginsland, ein üblicher Name für einen hohen Wehrturm (wie beispielsweise der gleichnamige in Nürnberg 1377 fertig gestellte).
- Führt man beide Hände in Schritthöhe zusammen, so erhält man ein nach unten zeigendes Dreieck (das im Langen Schwert „Alber“ genannt wird. Der Ursprung des Begriffs ist unklar).
Lecküchner nennt die damit verbundene Hut: Bastei. - Nimmt man die beiden Hände zusammen mit ausgestreckten Armen in Brusthöhe, so erhält man den Langort, eine so bedeutende Position, dass sie in allen Fechtlehren gleich heißt.
Es sind die Hände und Arme, die zusammen mit der Körperhaltung die Namen der fünf wichtigsten Positionen ergeben. Die Umbenennung Lecküchners mancher dieser Positionen ist vermutlich ein Versuch der Modernisierung. Beeinflusst durch militärische Neuerungen wie die Bastei und der italienischen Fechtkunst, veränderte sich die Lehre vom Langen Messer, die Namensgebungen in der Lehre spiegeln die Mischung zwischen hochmittelalterlicher und neuzeitlicher Fechtkunst wieder.